Faser-Kennwerte

Die Verstärkungsfaser im Leichtbau aus technischer Sicht

Bei Faserverbund-Werkstoffen übernehmen die Fasern im Wesentlichen die anliegenden Belastungen. Dazu müssen sie eine hohe Steifigkeit und genügend Festigkeit mitbringen. Weiter gilt das Gewicht als wichtige Prämisse die im Leichtbau zu Berücksichtigen ist. Aufgrund der Faserorientierung sind die Belastungen entsprechend unterschiedlich längs und quer zur Faser-Richtung zu berücksichtigen.

Als Modellbauer werde ich zwar nie direkt Fasern von einem Hersteller beziehen, sondern nur Halbzeuge in Form von Geweben oder Gelegen. Aber genau hier liegt der Ursprung meiner Bemühung. Die Unfähigkeit die vielen angebotenen Gewebe zu beurteilen, verlangte nach einer intensiveren Auseinandersetzung mit den eingesetzten Fasern. Entsprechend habe ich zuerst die angebotenen Gewebe von R&G in einer Liste zusammengetragen und die wichtigsten Kenndaten erfasst.

Dabei sind die Namen der verwendeten Fasern angegeben, welche eine Internetrecherche zu den Details ermöglicht. Die technischen Angaben von Torayca und Toho Tenax– Materialien habe ich anschliessend in einem separaten Tabellenblatt erfasst und gegen E-Glas (Schürmann, Konstruieren mit Faser-Kunststoff-Verbunden, Seite 30 und Seite 202, Springer 2005, 2007) und Kevlar verglichen.

Spezifische Steifigkeit und Festigkeit

In den nachfolgenden Tabellen sind die ermittelte spezifische Steifigkeit, welche proportional zum Zugmodul E+f|| ist, und die spezifische Festigkeit, welche proportional zur Zugfestigkeit R+mf|| liegt, in Bezug zur spezifischen Dichte ρf des Fasermaterials dargestellt. Aus dieser Übersicht lässt sich ableiten, welche Fasern sich zur Erhöhung einer steifen Auslegung eignen, und welche Fasern eingesetzt werden, um die Festigkeit des Bauteils zu erhöhen.

Darstellung der spezifischen Steifigkeit der verglichenen Fasern

Abbildung 348: Darstellung der spezifischen Steifigkeit der verglichenen Fasern

Darstellung der spezifischen Festigkeit der verglichenen Fasern

Abbildung 349: Darstellung der spezifischen Festigkeit der verglichenen Fasern

Klassifizierung der Fasern nach E-Modul-Bereichen

Die Hersteller haben die Fasern gezielt für gewisse Anwendungen ausgelegt und in unterschiedliche Klassen eingeteilt. Ausgehend von der Faser-Charakteristik werden diese für unterschiedliche Halbzeuge gemäss der Materialkennwerte verwendet.

  • ST (eng. Standard Modulus Carbon Fibers) oder HT (eng. High Tenacity Carbon Fibers), z.B.: T300, T300J, T400H, T700S, T700G, UTS50, HTA40, HTS40, HTS45 STS45
  • Standard-Kohlefasern mit E-Modul bis zu 250 MPa. Die T300 gilt als Industriestandard. Die T300J weist eine höhere Zugfestigkeit gegenüber der Referenzfaser T300 auf. T400H hat im Vergleich zur T300J eine erhöhte Zugfestigkeit, wie auch einen höheren E-Modul. Die T700S weist die höchste Festigkeit von annähernd 5‘000 MPa auf. Die STS Faser ist im Vergleich zur HTA und HTS-Faser günstiger. Die UTS-Faser ist eine Weiterentwicklung der HT-Fasern mit höherer Zugfestigkeit.
  • Aus diesen Fasern werden Gewebe hergestellte, welche sich typisch im Modellbau einsetzen.
  • IM (eng. Intermediate Modulus Carbon Fibers), z.B.: T800H, T800S, T1000G, M30S, IMS60, M30S
  • Intermodulus-Fasern haben einen E-Modul zwischen 250 und 300 MPA. Sie wurden ursprünglich für Anwendungen in der Luft- und Raumfahrt entwickelt. Die T800H weist bei geringem Gewicht eine sehr hohe Zugfestigkeit auf. Die T800S ist weist gegenüber der T800H noch höhere Festigkeitswerte auf. Die T1000G hat die höchsten Festigkeitswerte. Die M30S ist eine kostengünstige Alternative zur T800H.
  • Die Verwendung dieser Fasern kommt im Modellbau einzig in Spread Tow- und Biaxial- Gelegen [7] zum Einsatz. Hier zeigen sich die Steifigkeitsvorteile der Fasern in der entsprechenden Drappierung gegen Torsion in den Flächenschalen gegenüber den tieferliegenden E-Moduln in den Kohlegeweben.
  • HM (eng. High Modulus Carbon Fibers), z.B.: M35J, M40, M40J, M46J, M55J, M60J, UMS40, UMS45
  • Hochmodul-Fasern zeigen die höchsten E-Module bis zu 570 GPa. Diese Fasern weisen sehr hohe Zug- und Druckfestigkeiten auf, entsprechend werden sie häufig in steifen Bauteilen eingesetzt. Die Bezeichnung Uxx deutet auf ultra high modulus hin und weist die Fasern als bestens geeignet für Gurten.
  • HM-Fasern werden primär für unidirektionale Verstärkungen eingesetzt und kommen in Holmen und Rumpfauslegern zur Versteifung zum Einsatz.
  • HS (eng. High Strength Carbon Fibers), z.B. T700S, T800S, T100G, M30S, IMS60
  • Das ist eine marketingtechnische Einteilung, nach Festigkeit, während die initiale Kategorisierung nach E-Modul erfolgt ist. Entsprechend finden sich die genannten Fasern sortiert nach den höchsten Festigkeitswerten wieder in dieser Kategorie.
Darstellung der spezifischen Bruchdehnung der verglichenen Fasern

Abbildung 450: Darstellung der spezifischen Bruchdehnung der verglichenen Fasern

Arbeitsaufnahme und Schlagzähigkeit

Die hohen Festigkeits- und Steifigkeits-Vorteile der Kohlefasern werden leider durch die geringe Fähigkeit, Arbeit aufzunehmen, teilweise kompensiert. Die Schlagzähigkeit beschreibt die Fähigkeit des Materials Stossenergie und Schlagenergie, wie sie z.B. typisch beim Landen auftritt, zu absorbieren, ohne zu brechen. Die Schlagzähigkeit beschreibt nun das Verhältnis zwischen Schlagarbeit und Wandquerschnitt [kJ/m2]. Es besteht nun also die Möglichkeit eine Faser mit höherer Bruchdehnung zu verwenden oder mehr Wandstärke und damit schwerer zu bauen.

Kevlar-Fasern sind, solange es sich um Zugbelastungen R+f|| hält, den Kohlefasern deutlich überlegen. Ebenso eignet sich die Glasfaser für die Aufnahme von Schlagarbeit deutlich besser, als die Kohlefasern. Diese müssen aufgrund ihres anisotropen Verhaltens bei Schlag-Absorption z.B. bei Landungen im Rumpf entsprechend ausgerichtet und mehrschichtig eingelegt werden.

Koordinatensystems zur Bestimmung der Materialkennwerte

Nachfolgende Darstellung beschreibt die verwendete Indizierung in den eingesetzten Koordinatensystemen zur Beschreibung der Längs- und Querbelastungen bzw. Beschreibungsgrössen. Die Fasern werden hier als sogenannte unidirektionale (UD) Schicht parallel zur Längsachse des Koordinatensystems in Richtung der Längs (|| oder 1)-Achse gelegt und stellen somit als transversale Isotropie einen Sonderfall der Orthotropie dar. Damit lässt sich das räumliche Elastizitätsgesetz in Form der Nachgiebigkeitsmatrix [S] in Matrizen-Schreibweise darstellen.

Technische Parameter gemäss Faserorientierung im Koordinatensystem

Abbildung 317: Parameter gemäss Faserorientierung im Koordinatensystem

(1)

{e} = [S] * [s]

(2)

+  e1   +   + 1/E||  -?||-/ E-     -?||- / E- 0        0     0        +     + s1  + ¦  e2    ¦   ¦ -?-||/E|| 1/E-         -?-- / E- 0        0     0         ¦    ¦  s2   ¦ ¦  e3    ¦ = ¦ -?-||/E||  -?--/ E-     1/ E- 0 0        0           0         ¦ *  ¦  s3   ¦ ¦  ?23  ¦   ¦ 0  0      0          1/G--     0     0         ¦    ¦  t23  ¦ ¦  ?31  ¦   ¦ 0  0      0          0        1/G-||    0        ¦     ¦  t31  ¦ +  ?21 +   + 0  0      0          0        0           1/G-||+     +  t21 +

Aufgrund der Isotropie gilt folgendes:

(3)

E2 = E3 = E-

(4)

G31 = G21 = G-||

(5)

?31 = ?21 =? ?-||

(6)

G-- = E- / (2 * ( 1 + ?--))

(7)

E|| / ?-|| = E- / ?||-

(8)

e =1/2 *?

Entsprechend sind folgende Grund- Elastizitätsgrössen der Fasern zur Vorauslegung von Bedeutung: E||, E-, G-||, ν-||, ν--.

Technisch relevante Daten von Fasern

Zur Vorauslegung des Faser-Verbundes sind die genannten Grund- Elastizitätsgrössen der Fasern wichtig, welche als Grundlage zur Bestimmung der Verbundwerkstoff-Eigenschaften dienen. Wie bereits oben gezeigt sind die Eigenschaften des spezifischen Gewichts ρf , der Zug-Modul E+f|| und die Zugfestigkeit der Faser R+mf|| in Faserrichtung von primärer Bedeutung.

Da sich Kohlefasern anisotrop verhalten, interessieren auch die Querdehnung bzw. Poisson-Zahl νf-|| und damit der Schubmodul Gf-|| und je nach Einsatz der E-Modul quer zur Faserrichtung Ef-. Meist können diese Faserkennwerte nicht direkt ermittelt werden, sondern müssen aus Faserverbund-Proben zurückgerechnet werden.

In der Nachfolgenden Tabelle sind typische Werte zusammengefasst. Entsprechend sind zur Bestimmung der Parameter die genannten Quellen verwendet worden. Die Details sind einer separaten Vergleichsliste zusammengestellt.

Berechnete Werte sind Orange dargestellt, während die Werte aus den genannten Quellen 1) und 2) grün dargestellt werden. Zur Berechnung wurden auch Matrixwerte derselben Quelle 3) verwendet.

1) (HT-Faser gemäss Schürmann, Konstruieren mit Faser-Kunststoff-Verbunden, Seite 41 und Seite 202, Springer 2005, 2007)

2) (e-Glas-Faser gemäss Schürmann, Konstruieren mit Faser-Kunststoff-Verbunden, Seite 30 und Seite 202, Springer 2005, 2007)

3) (Epoxy gemäss Schürmann, Konstruieren mit Faser-Kunststoff-Verbunden, Seite 132, Springer 2005, 2007)

Für verschiedene Anwendungen interessiert die thermische Ausdehnung, welche im Modellbau nur eine untergeordnete Rolle spielen und daher im Folgenden nicht weiter betrachtet werden. Der Druckmodul E-f|| und auch der Schubmodul G lassen sich an den Fasern nicht direkt messen, sondern aus unidirektional aufgebauten Laminat-Proben, welche gemessen und auf die Faser zurückgerechnet werden. Hierzu sind in den Material-Datenblätter der genannten Hersteller zum Teil Vergleichsparameter für einen spezifischen Faserverbund angegeben. Die Beurteilung der Festigkeitseigenschaften von Faserverbunden wird im Kapitel Vorauslegung von Faserverbunden detaillierter behandelt werden.

Zur Berechnung werden Modelle aus der Fachliteratur (Schürmann, Konstruieren mit Faser-Kunststoff-Verbunden, Seite 182 ff, Springer 2005, 2007) herangezogen.

(9)

Rmf|| = Rm|| - sm * (1 - f) / f

(10)

Rmf- = ef- * Ef-

(11)

Ef|| = ( E||  - Em * (1 - f)) / f

(12)

ef|| = Rmf|| / Ef||

(13)

ef- = - ef|| * ?f-||

(14)

?f-|| = ( ?-|| - (1 - f) * ?m ) / f; ?f-|| = - ef- / ef||

(15)

?f||- = ?f-|| * Ef- / Ef||; ?f||- = - ef|| / ef-

Erkannte Vorteile einzelner Faser-Materialien

Gegenüber Aramid- und Kohlefaser weist die E-Glasfaser isotropes Verhalten auf und ist damit für Zug-und Druckbelastungen gleichermassen geeignet. Ebenso eignet sich das Glas ausgezeichnet für die Arbeitsaufnahme und ist aus ökonomischen Gründen interessant.

Kohlefasern sind die Verstärkungsfasern mit den herausragendsten Eigenschaften. In entsprechender Ausführung werden sie sowohl zur Optimierung der Steifigkeit (primär als Gelege mit entsprechender Ausrichtung), wie auch zur Erhöhung der Festigkeit (mehrheitlich als Gewebe) eingesetzt. Die Gelege/Gewebe müssen der Belastung entsprechend angeordnet werden.

Die Aramidfaser weist gegenüber den beiden anderen Vertretern eine sehr hohe Schlagzähigkeit und hohe Bruchdehnung ef auf und hat dabei noch die geringste Dichte ρf. Somit ist diese Faser sehr attraktiv um die steifen CFK-Laminate im Mischverbund gegen Bruch zu schützen. Sie nehmen dabei die Stossarbeit auf, währen die CFK-Fasern zur hohen Steifigkeit z.B. der Rumpfröhre beitragen.